„Deutschland vernachlässigt Wohneigentum“ – Thomas Aigner über Politik, Investoren und den Wohnungsmarkt

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Thomas Aigner gründete 1991 Aigner Immobilien und baute das Unternehmen zu einem führenden Maklernetzwerk mit über 150 Mitarbeitern und neun Standorten aus. Als digitaler Pionier setzte er früh auf EDV-Netzwerke, Online-Plattformen und innovative Softwarelösungen. Im Interview spricht er über Meilensteine, unabhängige Unternehmensstrukturen, erfolgreiche Verkaufsstrategien und notwendige Reformen für einen nachhaltig gesunden Immobilienmarkt in Deutschland.


Herr Aigner, wenn Sie auf Ihre Anfänge zurückblicken: Was war der Moment, an dem Sie wussten, dass Sie Ihr eigenes Immobilienunternehmen gründen wollen?

Das war 1991 nach Abschluss meiner Ausbildung. Allerdings war es nicht von Anfang an so „groß“ gedacht. Vielmehr war es die Idee, einfach mal gemeinsam mit einem Freund, der eine Versicherungsagentur hatte, als Einzelmakler ein Büro zu mieten und loszulegen. Es gab so gesehen weder einen Business- noch einen Wachstumsplan – aber die Kosten waren überschaubar, und bald gab es auch ein paar Einnahmen. Da haben wir dann mit dem Gedanken gespielt, einen zweiten PC und eine Aushilfe bzw. einen Praktikanten einzustellen. Dies war sozusagen der Anfang.

Heute führen Sie ein erfolgreiches Unternehmen mit über 150 Mitarbeitern und neun Standorten. Was war für Sie persönlich der wichtigste Meilenstein auf diesem Weg?

Wenn man so lange Zeit schon am Markt ist, nächstes Jahr sind es schon 35 Jahre, gibt es immer mehrere Meilensteine. Alleine wenn man auf das Thema „Digitalisierung“ blickt. Gerade hier waren wir unserer Zeit stets voraus und hatten als einer der ersten Maklerunternehmen ein EDV-Netzwerk zur Erfassung von Kunden- und Objektdaten sowie einer Software zur Marktbeobachtung. Das war der Grundstein für unseren Ruf als „digitaler Pionier“.

1996 hatten wir als einer der ersten Immobilienunternehmen eine eigene Website, ein Jahr später haben wir die Digitalfotografie eingeführt und 1999 eine neue innovative Organisationssoftware. Damit konnte man damals einen vollautomatischen Abgleich von Suchkriterien und Objektdaten machen und gezielt Immobilien anbieten. Heute ist das Standard, aber damals war das revolutionär. Seitdem haben wir viele Produkte entwickelt wie die Mietwohnungsbörse, eine Tauschbörse für Immobilien, einen Käuferfinder usw.

Weitere Meilensteine waren mit Sicherheit auch die schnelle Anerkennung als Ausbildungsbetrieb der Industrie und Handelskammer (IHK) zwei Jahre nach Firmengründung und die Berufung von Jenny Steinbeiß in die Geschäftsführung im Jahr 2020.

Auch davor gab es natürlich wichtige Entwicklungen: die Gründung der Investment-, der Vermietungs- und der Finanzierungsabteilung, diverse Standorteröffnungen, die Herausgabe zahlreicher Publikationen, die Etablierung unserer Veranstaltungen wie z.B. den münchner immobilien fokus, der jährlich im Literaturhaus stattfindet etc.

Für mich ganz persönlich war die Berufung in den Gutachterausschuss für Grundstückswerte im Bereich der Landeshauptstadt München ein Meilenstein.

Viele Maklerunternehmen arbeiten in Franchise-Strukturen oder sind an Banken gebunden. Sie haben sich bewusst für Unabhängigkeit entschieden. Welche Vorteile bringt das für Ihre Kunden und Ihr Team?

Bei Franchise-Unternehmen kann für Kunden eine wesentliche Sache hinten runterfallen: Der Mensch und das persönliche Verhältnis sind in unserem Business entscheidend. Bei vielen Franchisern ist es üblich, dass man über sein privates Netzwerk (vorzugsweise Kindergärten, Schulen, Rotary- oder Golfclubs) Verkaufsobjekte akquiriert, die dann alle Kollegen reihum anbieten können. Das ist meines Erachtens sehr unpersönlich. Zudem sind die Büros untereinander in der Regel nicht vernetzt. Im Gegenteil. Sie konkurrieren um Interessenten und Objekte miteinander wie jedes andere Maklerbüro.

Für unsere Makler überwiegen die Vorteile einer unabhängigen Angestellten-Organisation. Es ist anständig, fair und ohne Risiko für beide Seiten. Der gesamte Prozess im Bereich der Führung sowie im Umgang miteinander, ist meines Erachtens deutlich leichter, die Loyalität ist höher, die Mentalität der Makler eine andere. Während selbstständige Makler bisweilen eine „Söldner-Mentalität“ an den Tag legen, haben Angestellte i.d.R. eine höhere Bindung an das Unternehmen und die Marke. Zudem muss sich keine Seite Sorgen um rechtliche Sicherheiten und Konsequenzen machen.

Gibt es ein Erfolgsmodell aus Ihrer jahrzehntelangen Erfahrung, die Sie einem Eigentümer mitgeben würden, wenn es um den bestmöglichen Verkauf seiner Immobilie geht?

Am erfolgreichsten ist ein Verkauf, wenn Makler und Eigentümer ideal zusammenarbeiten. Dazu gehört, dass ein Makler sich Zeit nimmt, sowohl für den Menschen als auch für dessen Immobilien. Und dass der Eigentümer dem Makler sein Vertrauen schenkt und sich wirklich beraten lässt. Das klingt banal, ist aber tatsächlich wesentlich. Denn der Blick des Eigentümers auf seine Immobilie und den Immobilienmarkt kann sich unterscheiden von dem Blick des Profis, der natürlich ganz andere Zusammenhänge und Hintergründe kennt.

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Die Geschäftsführung von Aigner Immobilien: Thomas Aigner und Jenny Steinbeiß | Foto: Aigner Immobilien

Wenn Sie einen Wunsch an die Politik äußern könnten, um den Immobilienmarkt in München und Deutschland langfristig gesünder zu gestalten, welcher wäre das?

Ich hätte nicht nur einen, sondern mehrere Wünsche. Umfassendere Maßnahmen: Der Bau-Turbo ist zwar ein wichtiger Baustein, aber bei Weitem nicht ausreichend, da es hier erst mal nur um Prozessoptimierung und Rechtssicherheit geht. Was darüber hinaus dringend gebraucht wird, ist die Abkehr von den hohen Baustandards, die das Bauen immens verteuern. Hierzulande Wohnungen zu bauen, ist europaweit am teuersten. Eine aktuelle Studie aus der Immobilienwirtschaft hat ermittelt, dass der staatliche Anteil an den Kosten beim Wohnungsbau bei 37 % liegt, verursacht durch Finanzlasten und hohe Auflagen.

Verlässlichkeit: Es ist höchst problematisch, wenn jetzt sogar eine Rückwirkung der Mietpreisbremse möglich wird! Nicht nur, dass sich dieses Instrument schon längst als nachweislich unwirksam herausgestellt hat, es ist darüber hinaus zutiefst unsozial, weil es zum einen nur diejenigen betrifft, die schon eine Wohnung haben und darüber hinaus alle gleich behandelt, also auch jene unterstützt, die dies faktisch nicht brauchen. Dabei heißt das Sozialstaatsprinzip eigentlich, dass denjenigen geholfen wird, die sich selbst nicht helfen können.

Dadurch und weitere angedachte Eingriffe, verspielt man großes Vertrauen und sendet an die Privatwirtschaft, die den Großteil der Wohnraumerstellung schultert, fatale Signale! Investoren orientieren sich nun mal an Rentabilität. Die erreicht man nicht durch Regulierung, sondern durch De-Regulierung. Sie erhöht die Produktivität und senkt die Kosten. Private Investoren sollten nicht als Gegner, sondern als Partner gesehen werden, doch davon ist nichts zu spüren. In Deutschland schaut man historisch bedingt vor allem auf Mieter und vernachlässigt das Eigentum. Nicht umsonst ist unser Land im europäischen Vergleich in puncto Wohneigentumsquote das Schlusslicht: Während in Ländern wie Rumänien, der Slowakei und Kroatien über 90 % der Bevölkerung in den eigenen vier Wänden leben, sind es hierzulande knapp 47 %.

Wohneigentum fördern: Zum Beispiel durch die Senkung der Grunderwerbsteuer, über Fördermöglichkeiten im Sinne einer Neuauflage des § 10e EStG für Eigennutzer oder einer deutlich verbesserten Abschreibungsmöglichkeit für Kapitalanleger. Hohe Steueranreize ähnlich der Sonder-AfA Anfang der 1990er-Jahre hätten übrigens auch den Mietwohnungsbau merklich gepusht.

Eine umfassende Änderung des kommunalen Planungsrechts: Metropolregionen müssen heute anders entwickelt werden. Übergreifend, vernetzt und mit klugen Konzepten hinsichtlich Infrastruktur, Klimaschutz etc. München würde davon profitieren. Die Stadt ist eng, Nachverdichtungsmaßnahmen wie Aufstockungen sind komplex und teuer. Solange wir nicht massiv das Angebot an Wohnraum ausweiten, und zwar nicht nur das Angebot an Sozialwohnungen, sondern auch an Wohnungen für die breite Masse, den Mittelstand, wird sich die Lage nicht entspannen.

Für all das bräuchte es ein neues Verständnis von privaten Investoren, von Vermietern, von Wohneigentum und den politischen Willen. Ich persönlich sehe das leider (noch) nicht.

Vielen Dank für das Gespräch.



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