Foto: Wittlinger & Co
Jeanette Kuhnert ist Geschäftsführende Gesellschafterin von Wittlinger & Co sowie Vizepräsidentin des IVD. Die Diplom-Immobilienökonomin hat sich auf Gewerbe- und Investmentimmobilien spezialisiert und setzt auf Qualität, Nachhaltigkeit und flexible Nutzungskonzepte. In unserem Interview spricht sie über Chancen im Gewerbemarkt, Nachwuchsförderung und ihre Erwartungen an Politik und Branche.
Frau Kuhnert, gibt es eine prägende Erfahrung in Ihrer frühen Laufbahn, die Ihren Weg in die Immobilienwirtschaft entscheidend geprägt hat?
Es waren vor allem die Menschen, mit denen ich meine ersten Erfahrungen sammeln durfte, die mich beeindruckt und inspiriert haben. Während meines Praktikums im Real Estate Office einer großen Privatbank habe ich den Wert von Sorgfalt, Genauigkeit und dem Blick über den Tellerrand hinaus schätzen gelernt. Später, in meiner ersten Festanstellung, traf ich auf meinen beruflichen Mentor. Ein Mensch voller Tatendrang, Unternehmergeist und echter Macher-Mentalität. Die Verbindung dieser Eigenschaften hat mich nachhaltig geprägt und meinen weiteren Werdegang entscheidend beeinflusst.
Wittlinger & Co ist klar auf Gewerbe- und Investmentimmobilien spezialisiert. Welche besonderen Herausforderungen und Chancen sehen Sie derzeit in diesem Marktsegment?
Eine große Herausforderung sehe ich in der Vielzahl regulatorischer Eingriffe. Gemeint ist dabei nicht die Regulierung von Mietpreisen, sondern die oftmals überbordenden behördlichen Vorgaben für Bau und Betrieb von Immobilien. Mitunter wirkt es fast absurd, mit welcher Selbstverständlichkeit städtebauliche Vorschriften erlassen werden, die für den praktischen Betrieb erhebliche Nachteile mit sich bringen.
Die Folge: steigende Kosten, die wiederum auf die Mieten durchschlagen, erschwerte Bedingungen für Bauunternehmen und potenzielle Nutzer, die ihre Ideen nicht umsetzen können, und am Ende unattraktive Erdgeschossflächen, die zu Leerstand führen.
Auf der anderen Seite eröffnet die zunehmende Vielfalt gewerblicher Nutzungsarten enorme Chancen. Boardinghäuser, Serviced Apartments, gewerbliches AirBnB, Sportangebote wie Padel, Bouldern oder Indoor Cycling oder Freizeitkonzepte wie Escape Rooms. Die Palette der Möglichkeiten wächst stetig. Immobilien, die flexibel nutzbar sind, und Eigentümer, die offen für Neues bleiben, profitieren besonders von dieser Innovationskraft, die sich nach Corona verstärkt entfaltet hat.
Darüber hinaus nimmt die Bedeutung erneuerbarer Energien im Gewerbesegment spürbar zu. Energetische Optimierungen sind nicht nur ein Gewinn fürs Klima, sondern helfen auch Mietern wie Eigentümern, ihren Geschäftsbetrieb zukunftsfähig und nachhaltig auszurichten.
Junge Talente spielen in der Immobilienbranche heute eine zentrale Rolle. Sie engagieren sich als Schirmfrau für das Nachwuchsnetzwerk „Real Estate Potentials“. Was treibt Sie persönlich bei diesem Einsatz an? Und was wünschen Sie sich konkret für den Branchennachwuchs?
Ich hatte das große Glück, schon sehr früh auf Menschen zu treffen, die mich gefördert und gefordert haben. Das war nicht immer bequem, aber das Vertrauen, das mir entgegengebracht wurde, und die Chancen, die ich erhalten habe, wollte ich nicht enttäuschen. Erfolge haben mich motiviert, und Rückschläge haben mich fachlich wie persönlich wachsen lassen.

Genau diese Möglichkeiten möchte ich dem Branchennachwuchs eröffnen. Es geht nicht nur darum, spannende Formate für junge Talente zu schaffen, sondern auch darum, Unternehmerinnen und Unternehmer im IVD zu ermutigen, ihre Schützlinge konsequent weiterzuentwickeln. Denn langfristig profitieren beide Seiten davon: Nachwuchskräfte, die ihr Potenzial entfalten – und Unternehmen, die die Früchte ihres Engagements ernten.
Aus Ihrer Erfahrung: Welche Ansätze oder Projekte in Ihrem Unternehmen oder im Verband haben sich als besonders erfolgreich erwiesen, um nachhaltige und langfristige Kundenbeziehungen aufzubauen?
Für mich sind es zwei Faktoren: Qualität und Persönlichkeit.
In einer Branche, in der es fast immer Wettbewerb gibt, ist Qualität die unverzichtbare Grundlage. Sie bedeutet für mich neben fundierter Fachkenntnis auch einheitlich gestaltete Vermarktungsunterlagen, hochwertige Fotos, fehlerfreie Texte, eine höfliche Kommunikation sowie eine saubere Ablage und Dokumentation.
Doch Qualität allein reicht nicht. Ebenso wichtig ist die persönliche Ebene. Manchmal stimmt die Chemie einfach nicht. Das kann man nicht immer beeinflussen. Umso wichtiger ist es, die Werte und Bedürfnisse des Kunden zu verstehen und zu prüfen, ob sie mit den eigenen übereinstimmen. Meine Werte sind Verbindlichkeit, Offenheit und ein gesundes Maß an Kommunikation. Wenn das passt, ist der Grundstein für eine langjährige Zusammenarbeit gelegt. Ganz nach dem Motto „never change a running system“.
Und wenn es nicht passt, ist Ehrlichkeit der beste Weg. Eine Empfehlung an eine Kollegin oder einen Kollegen kann in solchen Fällen nicht nur dem Kunden helfen, sondern auch zu neuen, nachhaltigen Beziehungen innerhalb der Branche führen.
Als Vize-Präsidentin des IVD stehen Sie regelmäßig im Austausch mit Politik und Verbänden. Welche konkrete Maßnahme oder welches Signal würden Sie sich von der Politik wünschen, um den Gewerbe- und Investmentmarkt nachhaltig zu stärken?
Immobilieneigentum ist die beste Altersvorsorge. Unser Ziel muss es sein, ein Umdenken zu erreichen und Verständnis dafür zu schaffen, dass jeder neue Selbstnutzer im Wohneigentum ein Wohnungssuchender weniger ist, der den Mietmarkt belastet. Um die Eigentumsquote in Deutschland zu steigern, muss Wohnungsbau deutlich erleichtert werden. Es wird viel über Maßnahmen diskutiert, doch die Umsetzung dauert zu lange oder greift nur in Nischen.
Gleichzeitig wünsche ich mir vertrauensbildende Signale aus der Branche selbst. Viele der immer weiter zunehmenden Regularien sind die Konsequenz unredlichen Verhaltens einzelner Marktteilnehmer. Und das betrifft nicht nur große Investoren, sondern auch private Eigentümer, die Mieter mit vorgeschobenem Eigenbedarf kündigen, um teurer neu zu vermieten. Solange wir selbst für diese negativen Schlagzeilen sorgen, blockieren wir unsere eigene Weiterentwicklung.
Vielen Dank für das Gespräch.