Foto: syte
Matthias Zühlke, CEO des PropTechs syte, will die Frühphase der Projektentwicklung grundlegend verändern. Mit datengetriebener Technologie analysiert syte den Gebäudebestand und deckt Entwicklungspotenziale auf, die bislang oft übersehen wurden. Das Ziel: fundierte Entscheidungen treffen lange bevor ein erster Entwurf entsteht. Im Gespräch erklärt er, wie syte auf Basis von über 20.000 Objektdaten arbeitet, warum die Immobilienbranche zunehmend offener für KI wird und welche neuen Funktionen nach der kürzlich abgeschlossenen Millionenfinanzierung konkret geplant sind.
Matthias, du bist Architekt und heute CEO eines KI-Startups. Was hat dich zu diesem eher ungewöhnlichen Weg bewegt?
Als Architekt habe ich viele Jahre Projekte ganzheitlich begleitet – von der ersten Skizze bis zur Umsetzung und Projektleitung. Doch schon früh fiel mir ein strukturelles Problem auf: Wir investierten oft Monate in Projekte, ohne zu wissen, ob das Projekt wirtschaftlich überhaupt tragfähig war. Das war für alle Beteiligten oft frustrierend. Ich war überzeugt: Das muss besser gehen. Und mir war klar, dass Daten der Schlüssel sein können, um automatisierte Potenzialanalysen für Bauprojekte zu ermöglichen.
Über meinen heutigen Mitgründer David Nellessen hatten wir den Zugang zu genau den Daten, die dafür notwendig waren. David brachte das technische Know-how mit, ich die Vision aus der Praxis. Aus diesem Zusammenschluss entstand schlussendlich syte. Um es kurz zu beantworten: Ich bin diesen Weg gegangen, weil mich die Ineffizienz im klassischen Planen und Entwickeln frustriert hat und weil ich davon überzeugt bin, dass wir mit Technologie echte Hebel schaffen können.
Gab es einen konkreten Moment, in dem euch klar wurde: Wir gründen syte nicht als Experiment, sondern mit echtem unternehmerischen Anspruch?
Ja, den Moment gab es. Als wir es geschafft hatten, die relevanten Gebäudedaten zu finden, aufzubereiten und sinnvoll miteinander zu kombinieren, wussten wir: Das ist kein Experiment mehr. Was einfach klingt, war technisch sehr aufwendig. So standen damals beispielsweise die verschiedenen Daten in Nordrhein-Westfalen zur Verfügung, aber sie so zusammenzuführen, dass daraus echte Erkenntnisse entstehen, ist ein Kraftakt. Aber genau darin lag die Chance: Denn auf dieser Datenbasis konnten wir erstmals eine Künstliche Intelligenz trainieren, die versteht, wie Städte funktionieren. Die in der Lage ist, Grundstücke zu analysieren – ihre Größe, ihre Bebauung, ihre Umgebung – und daraus konkrete Entwicklungspotenziale zu berechnen. Wir haben gesehen, wie viel effizienter, nachhaltiger und zielgerichteter Stadtentwicklung mit Technologie sein kann. Uns war klar, dass wir damit einen Schlüssel in der Hand, der die Immobilienbranche grundlegend verändern kann.
Ihr sagt, ihr erkennt Potenziale im Gebäudebestand, die andere übersehen. Was macht eure Plattform besser oder anders als klassische Methoden oder Gutachten?
Was syte unterscheidet ist die Art, welche Daten wir wie nutzen. Wir kombinieren eine Vielzahl an verschiedenen Datenquellen, darunter beispielsweise Kataster- und Flurstücksdaten, LiDAR-Punktwolken, Luft- und Satellitenbilder sowie Marktdaten.
Hinzu kommt, dass unsere unternehmenseigene KI nicht mit Texten oder Bildern trainiert wurde, sondern mit über 20.000 Grundstücks- und Gebäudedaten.
Und: Wir schauen nicht nur auf eine Frage. Unsere Software bewertet Bebauungspotenziale, Wirtschaftlichkeit und auch Sanierungsmöglichkeiten. Das macht unsere Einschätzung ganzheitlich. Wir sehen Potenziale, die andere übersehen, weil wir breiter denken und tiefer ins Objekt schauen.
Wer nutzt syte heute konkret? Und wie überzeugt ihr Kunden in einer eher traditionell geprägten Immobilienbranche?
Unsere Hauptnutzer sind Projektentwickler, Immobilienmakler und Banken. Mit syte bewegen wir uns in einem Blue Ocean, also einem Marktbereich, der bisher kaum digitalisiert war. Und wir merken, dass sich etwas verändert: Die Branche erkennt zunehmend, dass Digitalisierung kein Trend ist, sondern der einzige Weg, um effizient und zukunftsfähig zu bleiben. KI trifft da gerade einen Nerv, denn viele wollen verstehen, wie sie in der Immobilienwirtschaft konkret helfen kann. Dabei verstehen wir uns nicht als klassischen Software-Anbieter. Unser Team besteht aus Expertinnen und Experten aus der Branche und genau das tragen wir auch nach außen. Ob auf Fachveranstaltungen, in Vorträgen oder durch Veröffentlichungen: Wir teilen unsere Erfahrungen bewusst, um die Branche weiterzubringen.
Ihr habt kürzlich eine Millionenfinanzierung abgeschlossen. Was sind eure nächsten konkreten Schritte? Und woran möchtet ihr euch in zwei Jahren messen lassen?
In den letzten Monaten haben wir viel erreicht. Wir haben unsere KI-Plattform vor allem im Bereich des Gebäudebestands funktional erweitert, etwa durch automatische Sanierungspläne und Wirtschaftlichkeitsanalysen. Aktuell entwickeln wir gezielt neue Funktionen, um auch Neubauprojekte besser abzubilden, zum Beispiel durch Multi-Parzelle-Analysen für komplexe Grundstückssituationen.
Außerdem ist syte seit diesem Jahr deutschlandweit verfügbar. Das war ein Meilenstein für uns und ein notwendiger Schritt, um langfristig auch international zu denken. Unser Ziel ist es, genau die Phase zu unterstützen, in der die wichtigsten Weichen gestellt werden: Soll ein Gebäude erhalten bleiben? Lohnt sich eine Sanierung und wenn ja, in welchem Umfang? Oder ist ein Rückbau mit Neubau die bessere Option? Genau für diese Leistungsphase 0 fehlt es an digitalen Hilfsmitteln. Mit syte wollen wir dazu beitragen, diese frühe Objektanalyse deutlich effizienter, datenbasierter und fundierter zu gestalten.
In zwei Jahren möchten wir daran gemessen werden, wie sehr wir dabei helfen, fundierte Entscheidungen im frühen Projektstadium schneller, effizienter und ressourcenschonender zu treffen. Denn wenn Bauen günstiger und nachhaltiger werden soll, muss die Effizienz schon ganz am Anfang beginnen, lange bevor der erste Entwurf gezeichnet wird.
Vielen Dank für das Gespräch.